boshi in the doggy bag
literarisches projekt/ fragmente einer inventierten reise durch eine straße die es vielleicht nicht gibt
willkommen in einer straße, die es vielleicht nicht gibt. isoliert von zivilisation und realität, versteckt in einem wäldchen nahe der memoiren der welt- nicht zu finden, schwer zu suchen. moore und moloche überziehen den asphalt, ginster und individualität den mensch. fuchsien und rhododendron säumen das band der straße -oh veronika wie wunderbar. gänseblümchen strecken sich aus der erde, insekten aus papier fliegen durch die lüfte. häuser aus strumpfhosen zeichnen sich ins bild. in jedem höschen lebt ein mensch. in der straße, die es vielleicht nicht gibt, steht ein berg. am gipfel des berges trohnt ein blinddarm aus rosarotem plüsch, der jeden tag um mitternacht aus einem buch zitiert. man muss den berg mit gelben socken betreten, sagt man, und ihm ein buch zu füßen legen - das gibt ein schönes karma. neben dem berg liegt ein moloch, aus scheiße und salat - zum wandern, leben, kleben bleiben. neben dem moloch liegt die fliegenparanoia, mit herrlichen fliegen aus aller welt. fliegen, die fliegen und fliegen die nicht mehr fliegen, fliegen mit hühneraugen und fliegen mit überbeinen. hinter der paranoia erstreckt sich der straßenstrich, in dem es immer regnet, der regen ein teil der straße und der mensch ein launischer abdruck des regens, sind. besuchen sie die straße, die es vielleicht nicht gibt, streifen sie durch den moloch, steigen sie auf den berg, bücken sie sich vor dem darm und schenken sie ihm ein stückchen weltliteratur, lauschen sie seinen worten, lieben, liegen und fliegen sie - durch paranoia, fuchsie und plüsch. leben sie in einer strumpfhose und lernen sie den eigenartigen menschenschlag kennen, der diesen teil der welt belebt.
jens das amerikanische riesenbaby
... jens, das amerikanische riesenbaby, sitzt auf der bank und träumt. dann setzt sich eine fliege auf seine nase. jens holt mit seinen dicken fleischigen fingern aus, es macht klatsch und das fette fleisch stürzt sich auf das nasenbein. die fliege sitzt für immer im gesicht. sss. „jens,“ sagen die leute, „du hast da was im gesicht.“ jens hört nie zu wenn die leute etwa sagen, „dummes zeug,“ meint er. jens ist ein starker mann, gut gebaut, vorne und hinten. „gesund,“ sagen die leute, „jens ist gesund."...
saudade soso
... „es geht mich ja nichts an, aber ... gott habe sie alle selig, die einen und die anderen,“ flucht saudade soso während er durch die straße schwebt, „wir flüchten in die ecke, schnell, schnell, dann ist es vorbei, hinter der ecke ist es vorbei, vorbei. was bin ich schuldig, mir fehlen die worte, uns allen fehlen die worte, wir schweigen und sehen zu, wir lassen geschehen, alles nicht so schlimm, das fenster gekippt, man hört, der vorhang nach hinten, man sieht. man sieht alles, nicht die vögel, nicht die füchse, nein, die spielen keine rolle. guten tag es geht uns gut, ja gut, punkt. punkt. punkt. was habt ihr noch zu sagen, die ohren sitzen auf den wänden, bitte etwas lauter, ich möchte alles hören. die blätter rascheln, die bretter knirschen. ja, meine herrschaften, spielt mit, jeder darf, jeder hat einen stein. so, wer ist der nächste, zuerst ich, dann du, dann du, und noch einmal und noch einmal. hilflos und klein, man kann sie füttern und mästen, mit sprache knebeln, zum schweigen führen, sie sind wie marionetten, die an den dünnen fäden hängen und tun. die puppen schweigen. die sprache klebt, die marionetten hängen an ihren fäden, und wie sie tanzen. wir stecken sie in silberne hosen und lassen sie zum rhythmus springen und eins und zwei und drei .. tüchtig tüchtig, das sind richtige marionetten. während die hunde schweigen, der sprache nicht mehr mächtig, verlieren die marionetten die worte und verschwinden in den gruben, hinter den hecken, vor den fenstern, im stall, im käfig. „nur des nachts, wenn alles schläft und sich der kreis von seinem sinn erholt, schreiten die zeiger aus und schlagen die ziffern in die ecke, die so quält und immer diese schatten wirft!“ philosophiert saudade soso...
karli kul
... karli kul hüpft die straße entlang, vertieft in selbstgespräche. in seinem gesicht kleben viren, bakterien, algen und pilze. „die meisten viren sind krankheitserreger aber es gibt auch viren, die keine krankheiten verursachen, aber die sollen schwer oder gar nicht aufzufinden sein, weil sie sich nicht durch symptome von pflanzen, tieren oder menschen verraten. man müsste sie wohl elektronenoptisch suchen. das leuchtet ein, eine elektronenoptische suche!“ philosophiert karli kul und hüpft gestresst die straße entlang, überquert die paranoia, nimmt eine alge aus seinem haar, wirft sie auf die straße, dann fängt es an zu regnen. dicke regentropfen peitschen aus dem himmel. wie wahnsininige rennen die leute die straße auf und ab und schimpfen über den ständigen regen. „du sau, verschwinde! raus! was hast du hier zu suchen! das ist unsere straße, verschwinde!“ hört man die menschen fluchen...
herr rotz
... rotz schneuzt sicht. lange und ausführlich schneuzt er sich. wie ein taifun fährt die schneuze aus der nase. rotz schneuzt sich zu jeder stunde. und immer wenn er sich schneuzt, singt rotz das lied vom vater unser. das kennt er noch aus der schule, vater unser der du bist im himmel, geheiligt, bei der silbe gehei - schlüpft ihm ein dicker brauner sud aus der nase ...
muckefuck
... wie jeden tag sitzt muckefuck im kaffeehaus und schlürft seine fritattensuppe ohne fritatten. muckefuck hasst fritatten, aber er liebt fritattensuppe. so bestellt muckefuck jeden tag im kaffeehaus eine fritattensuppe ohne frittaten. und jedesmal wenn muckefuck im kaffeehaus sitzt, bestellt er auch ein glas, denn er liebt es, die suppe aus der schüssel ins glas zu schütten und dann wieder zurück in den teller, dann wieder in das glas, damit die suppe schneller kalt wird. jedes mal wenn muckefuck sein suppenspielchen spielt, bleibt ein teil der suppe am tisch kleben und streift eine wunderschöne pfütze auf den tisch. dann lehnt sich muckefuck zurück und holt aus seiner tasche den notizblock. hinter seinem rechten ohr steckt der bleistift. muckefuck schreibt in sein buch: springende stute 2439. dann skizziert er die springende stute und rülpst einen satten ton dazu. „geschafft!"...
der englische rasenmäher shu shu
... shu shu, der rasenmäher verlässt selten sein haus, denn immer wenn er sein haus verlässt, muss er sich ärgern, und wenn er sich ärgert, dann fährt er aus der haut und wird brutal. die menschen gehen ihm dann aus dem weg. gottseidank hat shu shu seinen freund. sein freund hat eine kleine praxis mit einer weißen couch. shu shu legt sich gerne auf die couch, denn ehrlich gesagt hat shu shu keine eigene couch. „na, wie geht`s?“ fragt sein freund und verwandelt sich gleichzeitig in einen therapeuten. shu shu beginnt zu erzählen. und immer beginnt er mit den worten: „als ich einmal eine straßenlaterne mit meinem feuerzeug anzündete,. ..!“ shu shu erzählt lange geschichten, die geschichten verkeilen sich ineinander, da keine geschichte ein ende hat und keine der geschichten am anfang beginnt. shu shu erzählt immer die gleichen geschichten, aber das ist egal, denn sein freund hört nie zu. immer wenn shu shu in der couch liegt und zu erzählen beginnt, schließt der therapeut die augen und fährt mit seinem therapeutischen wagen in den süden, denn dort gibt es meer. shu shu spricht immer 6 stunden lang. er beginnt um eins und sein letzter satz fährt um punkt 7 uhr ins ziel. „aber das war noch zu der zeit als ich mit zwei kieselsteinen die straßenlaternen angezündet habe.“ wenn der therapeut das wort kieselsteine hört, dann steigt er aus seinem auto, öffnet die wohnungstür, und sagt „gut“. immer wenn shu shu das wort „gut“ hört, dann erhebt er sich aus der couch, holt seine schuhe, legt das geld auf den tisch und verabschiedet sich...
gacha gacha
.. gacha gacha presst sich ans fenster. neben ihm sitzen seine plüschtiere. gacha gacha hat sie in einen sack gestopft, nur die köpfe der tiere starren heraus. gacha gacha spricht mit seinen tieren, er hat keine frau. mir egal, antwortet gacha gacha immer wieder, wenn seine mutter anruft und ihm erklärt, dass es längst an der zeit für eine frau wäre. gacha gacha kann das nicht mehr hören. immer wenn seine mutter anruft, greift gacha gacha nach dem saubsauger und saugt die worte der mutter aus dem hörer in den sack. gacha gacha hat in seiner wohnung 9300 säcke. überall hängen die säcke, gefüllt mit den wünschen der mutter. jeden staubsaugersack hat gacha gacha nummeriert, beschriftet und zugeklebt...
mata muu
... stolz dreht sich mata muu in seinem weißen turnschuh und steigt der zeit davon. aus den fenstern der appetitlosigkeit drehen sich die leblosen schatten neugieriger nachbarn, die für einen kurzen moment das geflecht einer gestrickten haube verlassen, um die möglichkeit eines blickes wahrzunehmen. für einen moment erstarrt das system eines rasenmähers und lässt die wiese wildwüchsig vor sich liegen. aus den tiefen einer gefrorenen vegetationsdecke ragen die körperteile einer vergangenheit und drehen die letzte möglichkeit nach oben. es ist nie mehr zwölf uhr. ein märchenhafter zauber steigt in den himmel empor und bedeckt die farbe einer unerreichbarkeit mit einer hübschen zeitlosen melodie. aus den wolken treten tanzende stiefel und versammeln sich zu einem fest. der wind, der noch vor tagen ziellos durch die gegend strich, bremst seine hast und verwandelt sich in eine schwungvolle euphorie. er dreht sich sinnlich in der strahlenden freude einer gefühlvollen nähe. warmherzig tritt die sonne in die mitte und schöpft aus ihrem rumpf den zauberhaften geschmack einer köstlichen zufriedenheit. aus den böen eines bewölkten himmelreiches steigen die restaurierten seelen unzähliger weihnachtsbäume, die sich in ihrer längst vergessenen erinnerung im rhythmus einer lust drehen und mit den gewitterwolken einer zünftigen wetterschicht durch die zeit scherzen und in ihrem herzhaften blödsinn das areal einer unendlichkeit decken. der himmel kracht, aus allen ecken und enden erscheinen fabelhafte gestalten, die in ihrer absurden einzigartigkeit das attraktive lachen einer gleichgültigkeit in töne und tonleitern legen. mutter sonne tanzt in ihrer aufregenden rundung über das luftige parkett und schenkt suppe aus. die allegorie einer strahlenden lust hört nicht mehr auf, sich zu freuen und zu lachen und zu tanzen. und da die freude so intensiv und die lust so unfassbar, verfangen sich die seelen in einem meer an freudenstränen, die sich unerschöpflich in ihrer leidenschaft zu bächen formieren und aus den höhen einer unerreichbarkeit in die lockende tiefe stürzen und stürzen und stürzen und alles in ihren sturz integrieren, das nicht felsenfest davon überzeugt ist. vertäumte fliegen, die sich in ihrem tageswerk drehen, honigsuchende bienen, die die männliche trägheit satt haben und sich mit einem nektar aus der fremde bestäuben möchten, vögel, die die zeit versäumt haben und sich frierend durch die winternacht bewegen, kuhreiher, die sich verlaufen haben und nun unsicher über das firmament ziehen und auf hilfe angewiesen sind, luftballons, die sich atemlos im wind bewegen und vielleicht noch an eine kindheit erinnern, werden traumatisch in die tiefe gezogen und schlag auf schlag mit ihrem schicksal vertraut gemacht. der himmel weint und wie unaufhaltsame trauer schießt das wasser in die tiefe und lädt zum gemeinsamen verfall ein. es schüttet und das klare blau des überirdischen verwandelt sich mit dem zug eines verwaisten ziffernblattes in traurige existenz. tobend rast der abfall aus dem himmel und scheint, alles unter sich stehende in seinen bann zu reißen und in seiner laune zu vergewaltigen. die zeit steht still und trotzdem. hinter einer vorsichtig zurückgezogenen gardine eines beliebigen fensters erstrahlt das haupt einer griesgrämigkeit und dreht neugierig dem tag ein auge zu. auf der straße rennt er und rennt und rennt noch schneller, wie räder rollen die schuhe unter seinen füßen hinweg und scheinen sich in der geschwindigkeit zu überschlagen und im wettlauf mit dem wind zu verirren...
mama mokita
... in einem kleinen häuschen am ende der straße lebt eine frau. das häuschen steht auf einem sauber gepflegten rasen, der regelmäßig geschnitten, befahren und gesäubert wird. hinter dem rasen steht ein anderes häuschen, und manchmal tanzt ein junges reh am rasen, dreht sich im kreis und lässt die augen über das geschnittene gras fahren. immer wenn das reh am rasen steht, dann drehen sich die augen der frau aus dem fenster und beginnen zu tanzen und zu singen. wie kaugummi klebt der kopf der frau hinter dem fenster und verliert sich in dem anblick des anmutigen getiers. es ist frühling und am rasen sitzt ein dunkelbraun gefärbter stein. hinter dem stein hockt ein bunter gartenzwerg und füttert vögel aus papier. die frau verlässt das haus und spaziert verdächtig durch den garten, vorbei am stein, vorbei am gartenzwerg, der ihr jeden blick verwehrt. vielleicht sucht sie das reh, das sich manchmal am rasen verirrt und dabei gedankenverloren im grünen steht und ähnlich wie die frau nach dingen ausschau hält, die schwer mit einem namen zu beschreiben sind. langsam wandern die füße der frau über den rasen. ihr mund öffnet sich und ein bekanntes wort fällt ins freie. das wort wiederholt sich und findet allmählich ein anderes wort, das sich in gestalt eines kleinen hundes mit langen schlappohren und zugezogenen augenwinkeln über den rasen bewegt, vorbei am stein, vorbei am gartenzwerg, der auch ihm, dem hund, keinen einzigen blick gönnt. die frau lacht und klatscht zweimal in die hände, dann öffnet sich das maul des hundes und ein kleiner längst verwester knochen fällt zu boden. die frau ruft ein wort, das dem hunde, dem gartenzwerg und dem stein schon längst bekannt ist. dem leser noch nicht. dann bewegen sich die beine der frau und die des hundes über den rasen, hinein in das kleine häuschen, dessen türe sich nicht von selbst öffnet. zurück bleiben der zwerg und der stein. ja und das reh, das man nicht immer sehen kann, aber von dem man weiß, dass es da ist. hinter der tür hört man den hund bellen und die frau liebevoll und wunderbar kindlich eine konversation mit dem hunde führen. zwischendurch erklingen die geräusche einer suppenschüssel, eines löffels und die einer zu laut tickenden küchenuhr. etwas gelangweiligt legt sich der gartenzwerg schlafen, denn er weiß, es würde auch heute nichts anderes als gewöhnlich passieren. das reh verharrt in seinem versteck und betrachtet recht eigenwillig die anzahl der ziehenden wolken am himmel...
das kind das nicht kind sein wollte und die frau die nicht frau sein wollte
... manchmal tanzen särge und manchmal wachsen blumen, manchmal singt der wind und manchmal schlagen purzelbäume einen wald. die welt ist nicht mehr als ein traum, erklärt die frau und balanciert den schmalgetretenen rand der gesellschaft entlang. ihre finger tanzen im wind, während sich die kniescheiben leidenschaftlich um die hübsche rundung einer unachtsamkeit drehen...
by eva wassertheurer